Gedanken zu Pop und Populismus

Was haben Populismus und Pop gemein und was unterscheidet diese beiden Phänomene? Als Merkmal des Populismus, welches sich besonders gut für einen Vergleich eignet, führt Jan-Werner Müller unter anderem den Alleinvertretungsanspruch an. Ähnlich sieht es da beim Pop aus, wird doch suggeriert, dass Pop-Musik allen Menschen gefällt.  Populär ist ja schließlich das was gefällt, oder nicht?

Man könnte sagen, dass bei der Pop-Musik genau wie beim Populismus eine einfache Antwort auf eine schwierige Frage gesucht wird. Die Musik muss der Masse gefallen und wird deshalb immer weiter vereinfacht, bis schließlich der kleinste gemeinsame Nenner erreicht ist. Ob populistische Ansichten letztendlich der kleinste gemeinsame Nenner sind, würde ich jedoch bezweifeln.

Man kann allerdings beobachten, dass sich Populisten munter bei vielen politischen Lagern bedienen, diese werden dann am Ende als Meinung des Volkes verkauft. Solche Phänomene finden sich auch in der Popkultur wieder. Hatte der Grundge der 90er oder der Punk der 80er die Teenager der Zeit noch rebellieren lassen, dienen ihre Symbole heute der Popkultur. Ich staune zum Beispiel immer wieder über Teenies, die ihre Nirvana-Shirts (bei H&M gekauft) völlig Sinn befreit spazieren tragen. Diese Parallele von Pop und Populismus ist vielleicht weniger gefährlich, aber mindestens genau so dumm.

Was ist Populismus? (Hans-Werner Müller)

Im folgenden Text werde ich die Frage „Was ist Populismus?“ im Sinne von Jan-Werner Müllers gleichnamigen Buches beantworten, als Grundlage dienen die ersten 53 Seiten.

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Hans-Werner Müller; Quelle: http://www.wienerzeitung.at

Müller macht direkt zu Beginn seines Buches klar, dass es für ihn eine theoretische Kritik des Populismus geben muss, um das Phänomen Populismus erklären zu können. Darüber hinaus soll Populismustheorie immer in Rücksprache mit Demokratietheorie interpretiert werden. Populismustheorie sei laut Müller gar zwangsläufig Demokratietheorie. Er stellt diesen Zusammenhang zwar her.

Populismus, um die Hauptthese dieses Essays vorwegzunehmen, kann häufig als demokratisch, gar radikaldemokratisch erscheinen. Er kann bisweilen auch positive Effekte für die Demokratie zeitigen. Entscheidend ist jedoch, dass Populismus an sich nicht demokratisch ist. (S.14)

Um Populismus zu erfassen, muss laut Müller vorher eine geschichtliche Einordnung geschehen. Er spielt darauf an, dass Populismus kein neues, sondern ein wiederkehrendes Phänomen ist. Er kommt zu dem Schluss, dass Populismus ein spezifisch modernes Phänomen sei, was als Schatten der repräsentativen Demokratie entstanden sei (Gegensatz: attische Demokratie).

Rezensionen zu Graebers Werk

In dieser Woche habe ich mich mit zwei Rezensionen beschäftigt, die sich mit David Graebers Buch „Schulden- Die ersten 5000 Jahre“ auseinandersetzen.

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Werner Plumpe (Wirtschaftshistoriker) Quelle: Homepage Uni Frankfurt

Als erstes habe ich den FAZ Artikel mit dem Titel „Sklaven sind wir alle! David Graebers Kapitalismuskritik“ von Werner Plumpe vom 15. Mai 2012 gelesen.

Schon im Untertitel des Artikels gibt Plumpe einen Hinweis auf seinen eigenen Standpunkt. In seinem Buch erzähle Graeber die Geschichte vom bösen Kapitalismus, so Plumpe. Das Ganze könnte man so deuten, dass der Autor den Kapitalismus entweder nicht als böse oder zumindest Kapitalismuskritik als einen „alten Hut“ ansieht. Den Großteil des Textes verbringt Plumpe allerdings damit, Graebers Argumentation wieder zu geben. Allerdings achtet er genau darauf, klar zu stellen, dass es sich hierbei nicht um seine Ansichten handelt. Bis zu den letzten beiden Abschnitten hält plumpe seine Meinung zurück. Dann kommt er zu dem Schluss, dass an dem Buch viel zu loben, aber auch viel zu kritisieren sei. Die Kritik nimmt allerdings deutlich mehr Raum ein. Graeber habe zwar zahllose, auch gute Beispiele für die zerstörerische Bedeutung geldwirtschaftlicher Beziehungen gefunden, aber deren Vorzüge schlicht weggelassen, erklärt Plumpe weiter.  Graebers These überzeuge nicht, weil die andere Seite der Geschichte des Geldes nicht erzählt werde. Aus einer wissenschaftlichen Perspektive sei das nicht korrekt.

Dass Ökonomie immer auch Problemlösung ist, dass Menschen die ökonomischen Verhältnisse nach diesem Gesichtspunkt beurteilen, davon mag Graeber nicht reden. Denn dann müsste er zugestehen, dass die Geldverwendung eben auch Vorteile besaß, dass sie Arbeitsteilung und Handel wahrscheinlicher machte, dass gerade der liberale Kapitalismus die größte Wohlstandsvermehrung der Weltgeschichte ausgelöst hat.

Er führt weiter aus, dass der industrielle Fortschritt und die Versorgung der Weltbevölkerung nicht ohne Geld zu bewältigen sei. Im Zentrum des Erfolges stehe die Konsumgesellschaft, man könne das zwar kulturkritisch verachten, das würde allerdings an dem Befund nichts ändern. Laut Plumpe würde sich Graeber bei seiner Argumentation bei vielen Theorien (beispielsweise Marx) bedienen. Solange er aber keine Alternative zur wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit des Kapitalismus gebe, würde dieser gelten.

Als zweites hab ich den Spiegelartikel „Staatschulden-Debatte: Konto überziehen macht glücklich“ vom 18. Mai 2012 gelesen. Hier setzt Autor Oska Piegsa das Buch viel näher in den Zusammenhang mit der damaligen Finanz-/Schuldenkrise.

Neben der üblichen inhaltlichen Zusammenfassung scheint zunächst nur eine oberflächliche Einschätzung des Autors durch:

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Oskar Piegsa (Journalist) Quelle: achtmilliarden.wordpress.com

Die deutsche Übersetzung seines Buches erscheint pünktlich zu einem Zeitpunkt, an dem die europäische Spar- und Schuldenpolitik ernsthaft gefährdet scheint. Obwohl „Schulden. Die ersten 5000 Jahre“ deshalb mehr Aufmerksamkeit erfährt als vergleichbare Kulturgeschichten, interessiert David Graeber sich eher für das antike Mesopotamien als für den Stand der Europäischen Union, eher für Sklavenmärkte und Schuldkerker als für Haushaltskonsolidierung und Bailouts.

Im Anschluss geht Piegsa zunächst näher auf die Ansichten des Wirtschaftsnobelpreisträgers Paul Krugmann ein. Abschließend kommt der Autor allerdings noch zu einem positiven Fazit hinsichtlich Graebers Werk – es sei versöhnlicher als die Ansichten von Krugman. Neben einzelner Provokationen seien seine Herführungen erfrischend fern vom politischen Tagesgeschäft und angenehm frei von Ideologie. Er kritisiert jedoch die historischen Sprünge und die essayistische Form des Buches. Schlussendlich würde sich das Buch jedoch als gute Einführung in das Thema eignen.

 

Schulden: Die ersten 5.000 Jahre – Kapitel 1-5

Über die Erfahrung der moralischen Verwirrung

Im ersten Kapitel seines Buches „Schulden: Die ersten 5000 Jahre“ erledigt der Autor David Graeber einen Rundumschlag. Ausgangspunkt seiner Erzählung ist ein Gespräch auf einer Gartenparty in London. Dort unterhält er sich mit einer jungen Anwältin, die wie es zunächst scheint „auf der guten Seite“ steht. Das Gespräch dreht sich zunächst um den Internationalen Währungsfonds, nach kurzer Zeit fällt dem Ich-Erzähler Graeber allerdings auf, dass es einen grundsätzlichen Meinungsunterschied gibt. Auslöser ist ihre Äußerung: „Man muss seine Schulden zurückzahlen“ (u.a. S. 9).

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Quelle: Amazon

Diesen Konflikt nutzt Graeber als Einstieg für einen relativ breiten historischen Abriss über Schulden. Das Ganze hat für mich als „Türöffner“ gut funktioniert, da es solche Situationen immer wieder gibt. Auf einer relativ ungezwungenen Party geht es auf einmal um die „schweren“ Themen der Zeit. Wer hat denn noch nicht „angeduselt“ auf einer Party über Ungerechtigkeit oder gar über Religion diskutiert? Jedenfalls hat es doch bestimmt bei jedem Mal den Moment gegeben, als man dachte: „Halt, ich glaub hier muss ich wohl erst mal ganz weit ausholen…“.

Im Weiteren versteht es der Autor, relativ komplexe Sachverhalte verständlich zu erklären. Spätestens nachdem er die Auswirkungen des Zinseszinseffektes auf die Schulden Afrikas erklärt, hat er mich. Man stellt sich die Frage, ob man den Begriff Schulden und was dahinter steckt bisher zu eng gesehen hat. Unter anderem am Beispiel Madagaskars macht er klar, dass Schuldenpolitik auch viel mit Macht zu tun hat.Wer siegreich einen Konflikt für sich entscheiden kann, diktiert im Anschluss auch die Bedingungen. Hier bringt er unter anderem auch das Beispiel der Reparationszahlungen nach dem ersten Weltkrieg an. Die Essenz aus all dem wird in folgender Textstelle besonders deutlich:

Seit vielen tausend Jahren wird der Konflikt zwischen Reichen und Armen überwiegend in Form von Konflikten zwischen Gläubigern und Schuldnern ausgetragen – mit Argumenten über Recht und Unrecht von Zinszahlungen, von Schuldenknechtschaft, Schuldenerlass, Enteignung, Rückgabe, der Konfiszierung von Schafen oder Weinbergen oder dem Verkauf von Kindern in die Sklaverei. (S.14)

Am Ende des ersten Kapitels stellt er dann schlussendlich seine Fragestellung auf, die für die weiteren Kapitel zentral sein soll:

Und damit kommen wir zur zentralen Fragestellung dieses Buches: Was heißt es genau, zu sagen, unser Gefühl für Moral und Gerechtigkeit werde auf die Sprache eines Geschäfts reduziert? Was bedeutet es, wenn wir moralische Beziehungen auf Schulden reduzieren? Was ändert sich, wenn das eine zum anderen wird? Und wie sprechen wir darüber, wenn unsere Sprache so sehr vom Markt bestimmt wurde? (S.19)

Spätestens hier wird deutlich, dass Graeber zwar einen einfachen Schreibstil pflegt, aber durchaus wissenschaftliche Kriterien erfüllt wissen will. Das äußert sich durch die Fragestellung und seine These am Ende des ersten Kapitels. Außerdem gibt es immer wieder Quellenverweise, die durch Fußnoten gekennzeichnet sind.

Der Mythos vom Tauschhandel

Im zweiten Kapitel versucht Graeber einen Teil der Wirtschaftstheorie von Adam Smith zu wiederlegen. Konkret geht es um die Annahme von Smith, dass Geldsystemen immer Tauschsysteme vorausgehen. Graeber arbeitet heraus, dass Geld- und Tauschsysteme durchaus parallel existieren können. Außerdem gibt er sehr umfangreiche Beispiele für die Eigenheiten des Tauschhandels. Unter anderem wird über einen rituellen Tauschhandel der Gunwiggu (Australien) namens dzamalag berichtet. Dem Problem der doppelten Koinzidenz setzt er eine pragmatische Lösung entgegen –

In allen Szenarien verschwindet das Problem der >>doppelten Koinzidenz der Wünsche<<, das die wirtschaftswissenschaftlichen Lehrbücher immer wieder beschwören, wie von selbst. Henry hat womöglich nichts von dem, was Joshua gerade jetzt haben will. Aber die beiden sind Nachbarn, und da ist es offensichtlich nur eine Frage der Zeit, bis der Fall eintreten wird. (S. 42)

Viel wichtiger als Geld- und Tauschhandel seien auch schon vor über 3.000 Jahren Kreditsysteme gewesen (Beispiel: Sumerer). Die Intention des Autors liegt meiner Meinung darin, die tiefe Verwurzelung von Schuld(en)systemen historisch zu belegen.

Ursprüngliche Schulden

Im dritten Kapitel geht David Graeber zunächst auf weitere Theorien ein. Unter anderem auch auf die Kredittheorie von Mitchell-Innes und den Keynesianismus. Er erklärt unter anderem auch, dass Geld eigentlich nur ein Schuldschein ist, der immer weiter gegeben wird. Außerdem stellt er die These auf, dass Geld und Währungssysteme immer durch Herrschende installiert wurden.

Gesellschaften ohne Staat sind in der Regel auch Gesellschaften ohne Märkte. (S. 56)

Die Frage die sich hier am Ende stellt ist, wer eigentlich das Recht hat die Urschulden (göttlich) zu verlangen?